The Bronx Journal Online-German
Rechtsextremistische Spektrum
Rechtsextremistische Spektrum in
Rheinland-Pfalz ist ein ernst zu nehmendes Gefahrenpotenzial",
warnt der jüngste Verfassungschutzbericht vom März. Jetzt, nach den
fremdenfeindlichen Anschlägen, wendet sich die Politik dem Thema
verstärkt zu: NPD-Verbote und Videoüberwachung werden diskutiert,
konsequente Bestrafung wird gefordert, und Aktions-programme werden
aufgelegt.
Rechte noch unorganisiert Endlich, sagt die
Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-beiräte in Rheinland-Pfalz. Sagen
Vertreter von Sinti und Roma. Sagen die jüdischen Gemeinden. Sie alle
hoffen, dass das Thema "Rechtsextremismus" nicht nur die
Sommerpause füllt. Den "Mainzer Appell" des
Ministerpräsidenten Kurt Beck haben innerhalb weniger Tage fast 3000
Menschen unterzeichnet. In dieser Woche greift der Landtag das Thema
auf.
Beweise für die Aktivitäten der rechten
Szene in Rheinland-Pfalz gibt es genug: Zwischen 1990 und heute sei die
Szene mit etwa 1900 bis 2000 Personen "auf hohem Niveau relativ
konstant" geblieben, so der Verfassungsschutz. Feste terroristische
Strukturen gebe es nicht.
Zugleich zeigen die Zahlen des
Justizministeriums, dass es nicht bei dumpfen Sprüchen bleibt. 352
Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund zählte das Ministerium im
gesamten Jahr 1999, im ersten Halbjahr 2000 waren es schon 398 Fälle:
von Hakenkreuzschmierereien über Friedhofsschändungen, Verprügeln von
Aussiedlern bis hin zum Brandanschlag in Ludwigshafen, bei dem drei
Kinder verletzt wurden.
Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz sind
meist unorganisiert. Sie skandieren lauthals rassistische Parolen und
greifen Menschen an, deren Äußeres ihnen nicht passt oder die sich von
ihnen lossagen. Neuerdings suchen sie die Nähe zur NPD.
So beschreibt der Verfassungsschutz die
Szene
"Rechtsextremisten zeigen ein hohes
Maß an Menschenverachtung. Sie sind skrupellos und verüben zum Teil
schwerste Straftaten." Das ist nicht der Verfassungsschutzbericht
aus Thüringen, es ist der aktuelle aus Mainz.
Die rechtsextremistische Szene in
Rheinland-Pfalz besteht hauptsächlich aus vier verschiedenen
Gruppierungen: gewaltbereite oder gewalttätige Rechtsextremis-ten,
Neonazis, rechtsextremistische Parteien und sonstige Gruppierungen.
Besonders aktiv ist die Szene in Betzdorf,
Kaiserslautern, Koblenz, Ludwigshafen, Mainz und der Vorderpfalz. Dort
kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Straftaten: Erst im
Januar verprügelte eine Gruppe Skins in Koblenz zwei Schwarzafrikaner.
Die Täter wurden gerade angeklagt. Im Februar waren Skins in eine
Schlägerei bei Frickhofen im Westerwald verwickelt.
Dumpf-diffuses Gruppengefühl Zwischen 1900
und 2000 Mitglieder gehören der Szene an, davon sind etwa 100 militante
Rechtsextremisten: 50 Neonazis und 50 Skins.
Gewaltbereit sind rund 300 kaum
organisierte Skins. Sie sind sogar ausgesprochen organisationsunwillig,
haben ein dumpf-diffuses Gruppengefühl und kommen ohne tiefergehende
Ideologie aus. Ihren Hass nähren sie trotzdem aus Rassismus,
Nationalismus und Antisemitismus. Die Szene verbindet und rekrutiert
sich über Musik: So trafen sich etwa 400 Skins im Mai zu einem Konzert
in Zweibrücken, im Februar waren sie in Rehborn (Kreis Bad Kreuznach).
Die Neonazis schließen sich - nachdem eine
Reihe von Vereinen verboten worden ist - meist zu 10- bis 15-köpfigen
Kameradschaften lose zusammen.
Hier wird der Nationalsozialismus
glorifiziert. Sie arbeiten auf die Errichtung eines autoritären
Führerstaats hin. Neuerdings nähern sie sich der NPD undderen
Jugendorganisation "JN" an.
Ludwigshafen, Kamp-Bornhofen, Westerwald
Wichtigste rechtsextremistische Partei ist die NPD (National-demokratische
Partei Deutschlands). In Rheinland-Pfalz hat sie jedoch nur etwa 250
Mitglieder. Bei den "Jungen Nationaldemokraten" ("JN")
sind etwa 30 Leute organisiert.
Wesentlich mehr Zulauf hat die DVU (850
Mitglieder). Bei den Republikanern sind 600 eingetragen. Nach außen
geben sich diese Parteien seriös, verschleiern oder leugnen ihre
rechtsextremistischen Bestrebungen. Mit subtiler Polemik versuchen sie,
eine demokratiefeindliche Stimmung zu erzeugen, was aus Sicht des
Verfassungsschutzes durchausseine Wirkung auf die Gewalttäter der Szene
hat. Die NPD macht durch Aufmärsche auf sich aufmerksam, eingebunden
sind dabei auch Skinheads und Neonazis. Im Mai demonstrierte die NPD in
Ludwigshafen, im Juni wollte sie in Kamp-Bornhofen tagen, was in letzter
Minute von der Bevölkerung verhindert wurde. Im Februar traf sich die
"JN" zum Bundeskongress im Westerwald.
Ziel: Bewusstseinswandel
Unter den sonstigen Rechtsextremisten fasst
der Verfassungsschutz die so genannten Revisionisten und die sich
elitär gebenden Theoriezirkel der "Neuen Rechten" zusammen.
Sie treten in kleineren Organisations-zusammenschlüssen oder als
Einzelpersonen auf. Sie wollen schleichend einen Bewusstseinswandel
herbeiführen. Beide Gruppen sindnoch wenig einflussreich. Doch erst vor
wenigen Tagen wurden in einemOrt im Kreis Altenkirchen Flugblätter des
Alt-Nazis Manfred Roeder verteilt, in denen zum Hass gegen die jüdische
Bevölkerung aufgestachelt wird. Die Justiz ermittelt noch, wer die
Zettel verteilt hat.
Insgesamt ist die rechte Szene alles andere
als straff organisiert. Doch gerade bei den Neonazis wird gruppenintern
Druck ausgeübt. So genannte Verräter werden in aller Regel, so der
Verfassungsschutz, auch massiv gebrandmarkt.
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