Friedenspreis
des Buchhandels für Fritz Stern Der 1926 in Breslau (heute Wroczlaw)
geborene, seit 1938 in New York lebende Historiker Fritz Stern ist am
17. Oktober in der
Frankfurter Paulskirche mit demFriedenspreis des deutschen Buchhandels
ausgezeichnet worden.
Stern
habe „dem Frieden gedient, indem er Brücken des Verständnisses
zwischen den Zeiten und den Völkern errichtete," heisst es in der
Begründung der Jury. Er habe die „stets umstrittene historische Präsenz
der Juden in der deutschen Politik, Wirtschaft
und Kultur und Wissenschaft" ausgewogen dargestellt und zu
Gegenwartsfragen immer wieder wegweisend Stellung bezogen.
In
seiner Laudatio würdigte der polnische Aussenminister Bronislaw Geremek,
Historiker wie Stern, den Preisträger als einen „Historiker von großer
Gelehrsamkeit" und als einen „weisen, großartigen Menschen".
Stern wolle verstehen, aber nicht rechtfertigen. Bei Stern sei weder das
Gefühl persönlich erlittenen Unrechts zu finden noch die Suche nach
Schuldigen.
In
seiner Rede sagte Stern, der Nationalsozialismus „lastet auf uns allen.
Er vergeht nicht, und in einigen dunklen Ecken sieht man, dass der Reiz
der reinen Volksgemeinschaft
auch jetzt noch verlockend wirkt. Die Verbrechen sind in
allgemeiner Erinnerung; die Frage ‘wie war es möglich?’ wird nicht
verjähren, und jegliches Ausweichen in ‘Normalität’ ist vergeblich."
Beim
richtigen Umgang mit der Vergangenheit nannte Stern nicht den Namen
Martin Walsers, der vor einem Jahr den Friedenspreis erhalten und mit
seiner Paulskirchenrede einen heftigen Streit ausgelöst hatte. Walser
hatte damals von einer „Moralkeule" gesprochen, mit der den
Menschen permanent die deutsche Vergangenheit
vorgehalten werde. Mit Recht gebe es Mahnungen gegen das Vergessen,
sagte Fritz Stern, doch es sei ein Missverständnis, solche Mahnungen
mit einer Schuldbeschwörung für die heutige Generation gleichzusetzen.
Gefordert
sei Verantwortung, „verstärkt durch das Wissen um Fehler und
Verbrechen in der Vergangenheit."
Auf
die heutige Situation im wiedervereinigten Deutschlands eingehend, erklärte
Stern, er begrüße die Berliner Republik „mit großem Vertrauen und
mit kleinem Unbehagen". Das Vertrauen beruhe auf den ersten 50
Jahren der Bundesrepublik. Das Unbehagen entspringe der Benennung. Roman
Herzog habe den Wunsch nach leisen Tönen für die deutsche Frage
formuliert. „Berlin ist für vieles bekannt, doch nicht gerade
für leise Töne," sagte Stern.
Strit um Oskar Schindlers
Nachlass
Vor zwei Jahren wurde
auf einem Dachboden in Hildesheim ein verstaubter Koffer gefunden. Er
enthielt Dokumente aus dem Nachlass des Kaufmanns Oskar Schindler
(1908-1974), der während des Zweiten Weltkriegs zahlreichen Juden das
Leben gerettet hatte, indem er sie aus den Konzentrationslagern als
Arbeitskräfte für seine Betriebe im damals von den Deutschen besetzten
Polen anforderte. Schindler wurde 20 Jahre nach seinem Tod durch
Steven Spielberg’s Film „Schindler’s List" („Schindlers
Liste") berühmt.
Der
Finder übergab den Koffer der „Stuttgarter Zeitung", die am 16.
Oktober eine Serie von Veröffentlichungen über den Nachlass begann.
Der Koffer enthält nach den Angaben des Blattes neben Hunderten von
Briefen und Fotos auch eine vom 18. April 1945 datierte Liste mit über
1.200 Namen von KZ-Häftlingen, die bei der Verlegung der Schindler-Betriebe
von Krakau nach Brünnlitz in der Tschechoslowakei dort beschäftigt
waren.
Der
Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung", Uwe Vorkötter, hat, wie
er sagte, „nicht den mindesten
Zweifel an der Echtheit des Materials". Ende dieses Jahres
soll das gesamte Material der Holocaust-Gedenkstätte „Jad Washem"
in Jerusalem übergeben werden.
Oskar Schindler, der nach dem Krieg mit
seiner Frau Emilie nach Argentinien ausgewandert war, kehrte 1958 nach
Deutschland zurück, konnte auch hier jedoch wirtschaftlich nie wieder
Fuß fassen und wurde am Ende von einigen der Juden finanziell unterstützt,
die er vor den Nazis gerettet
hatte. Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte er in Hildesheim.
Sein Grab ist auf dem katholischen Zionsberg-Friedhof in Jerusalem.
Schindlers Witwe, die nach wie vor in
Argentinien lebt, erhob jetzt Ansprüche auf den Nachlass ihres Mannes.
„Diese Dokumente gehören mir, denn ich bin die Witwe und rechtmäßige
Erbin von Oskar Schindler," sagte sie dem Magazin „stern".
Nach ihren eigenen Angaben hat sie seit 1958, als Schindler „nach
Deutschland heimkehrte und mich in Argentinien zurückließ",
keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann gehabt.
Die
heute 92 Jahre alte Emilie Schindler hatte bei der Rettung der Juden
tatkräftig mitgewirkt, auch wenn sie in dem Spielberg-Film praktisch
nicht vorkommt. Einige der Geretteten meinen, ihr Anteil sei genau so
groß wie der ihres Mannes. So hatte Emilie Schindler bei der Verlegung
der Betriebe nach Brünnlitz die entscheidenden Stempel besorgt, ohne
die die Operation gescheitert wäre und die Juden ins KZ gekommen wären,
was ihren sicheren Tod bedeutet hätte.
Reproduced
with permission from Deutschland Nachrichten
|